
Ätiopien
In Äthiopien schnitt die Dominanz der Ethiopian Commodity Exchange (ECX) Käufer über viele Jahre hinweg von einem direkten Kontakt mit Produzenten ab, was bedeutete, dass experimentelle Aufbereitungen nicht unmittelbar belohnt werden konnten. Ab 2008 musste nahezu aller Kaffee, der Äthiopien verließ, über die Börse verkauft werden – mit sehr wenigen Ausnahmen. Dadurch ging ein Großteil der Rückverfolgbarkeit verloren. Zwar war weiterhin hervorragender Kaffee erhältlich, doch es war nahezu unmöglich, Beziehungen aufzubauen oder Jahr für Jahr denselben Kaffee zu beziehen.
Die Lockerung der Regulierungen durch die äthiopische Regierung im Jahr 2017 hat allmählich zu einer liberaleren Branche mit mehr Akteuren und größerer Vielfalt geführt. Der äthiopische Kaffeemarkt ist heute vielfältiger denn je – mit Produzent, die zunehmend direkt für ihre Arbeit belohnt werden.
Ein Beispiel dafür ist die anaerobe Fermentation, die deutlich an Beliebtheit gewonnen hat und neue Möglichkeiten für das äthiopische Geschmacksprofil eröffnet.
Guatemala
In Guatemala dominierte viele Jahre lang das saubere, gewaschene Geschmacksprofil. Erst in jüngerer Zeit, mit dem Aufkommen kleiner, auf Spezialitätenkaffee fokussierter Lieferketten, wird vermehrt nach Vielfalt in der Aufbereitung gesucht – und diese auch belohnt. Diese kleineren Unternehmen haben Zugang zu einem Nischenmarkt aus hochwertigen Röstereien, die Wert auf Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Vielfalt legen. Diese Werte können sie dann über ihr Produzentennetzwerk weitergeben – mit dem Versprechen höherer Preise für den Kaffee.
Auf diese Weise gelingt es ihnen langsam, jahrelange neokoloniale Strukturen zu durchbrechen, in denen Kaffee aus Guatemala oft als einheitliches Massenprodukt behandelt wurde. Heute werden vielfältigere Aufbereitungen und Varietäten vom Markt anerkannt und geschätzt – etwa durch die steigende Zahl an Honey- und Natural-Lots – was dem guatemaltekischen Kaffeemarkt mehr Möglichkeiten bietet als je zuvor.

Chelbesa
Dieser Natural-Lot wurde an SNAP Coffees Aufbereitungsstation im Dorf Chelbesa im Yirgacheffe-Gebiet verarbeitet. Während unserer Reise nach Äthiopien im Februar haben wir in SNAPs Hauptsitz in Addis Abeba mehrere Tische mit exzellentem Kaffee aus der diesjährigen Ernte verkostet. Die Kirschen für diesen Lot wurden von Kleinbauern aus der Umgebung des Dorfes geliefert und anschließend vom sorgfältigen Team von SNAP einer anaeroben Aufbereitung unterzogen.
Die Kaffeekirschen werden zunächst für 24 Stunden in versiegelten Tanks fermentiert, bevor sie auf erhöhten Trockenbetten verteilt werden. Die trockenen und heißen Bedingungen während der Erntezeit ermöglichen eine kontrollierte und gleichmäßige Trocknung. Während der intensivsten Sonnenstunden werden die Trockenbetten mit Planen abgedeckt, um die Kirschen vor Schäden zu schützen und den Trocknungsprozess zu verlangsamen. Der Kaffee wird häufig gewendet und in mehreren Schritten von Hand sortiert, um höchste Sauberkeit zu gewährleisten.

Dies führt zu einem sehr klaren und intensiven Ausdruck in der Tasse, mit mehr Reinheit, als wir sie in vielen anaerob aufbereiteten äthiopischen Lots finden.
Im Fall von Chelbesa entsteht dadurch eine tiefe Süße, die an überreife Beeren erinnert und die aromatischen Kopfnoten untermalt, die wir typischerweise mit äthiopischem Kaffee verbinden.

Nueva Montaña
Die Farm von Antonio Gonzalez in der Region Fraijanes ist ein wiederkehrender Favorit, der bei unseren Verkostungen in Guatemala oft hervorsticht. Fraijanes liegt deutlich weiter südlich als Huehuetenango, wo viele der guatemaltekischen Lots, die wir einkaufen, angebaut werden. Die Region befindet sich viel näher an der Hauptstadt Guatemala-Stadt und ist daher stärker von der Urbanisierung betroffen. Höhere Produktionskosten und steigende Grundstückspreise erschweren es, eine Kaffeefarm profitabel zu betreiben.
Antonios Farm, La Nueva Montaña, ist ein hervorragendes Beispiel dafür, welches Potenzial in der Region steckt. Sie ist Teil einer Bewegung hin zu höherer Qualität und Differenzierung, um das Familienunternehmen zu sichern. Gemeinsam mit seiner Frau Eby Samayoa hat Antonio insbesondere an der Verbesserung der Aufbereitung gearbeitet – mit dem Ziel, durch gezielte Fermentation bestimmte Aromen im Kaffee zu erzeugen. Zukünftig möchten sie auch ihre agronomischen Praktiken verbessern, doch diese Veränderungen brauchen Zeit, damit sich die Pflanzen über mehrere Ernten hinweg anpassen können. Derzeit konzentrieren sie sich darauf, Umweltverschmutzung zu minimieren, und teilen ihre Erfahrungen mit benachbarten Kaffeebauern – mit Tipps zur Reduktion chemischer Mittel, damit auch sie langfristig erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können.

Dieser spezielle Lot stammt von der Varietät Catuai, einer Zwergmutation der beliebten Caturra. Die Erfahrung, hochwertige Lots zu produzieren – wie etwa den zuvor von uns gekauften Maracaturra – hat sich auch auf Antonios breitere Arbeit mit weniger exotischen Varietäten positiv ausgewirkt.
Ein gutes Beispiel ist dieser Lot: Die Kirschen wurden über Nacht 14 Stunden lang in verschlossenen Plastiksäcken vorfermentiert, bevor sie am nächsten Tag auf erhöhten Trockenbetten ausgebreitet wurden. Diese Art der Fermentation bewahrt ein saftiges Geschmacksprofil mit Noten von reifen Blaubeeren, abgerundet durch reichhaltigen braunen Zucker und dunkle Schokolade.

Es ist ein Privileg, für Kaffee zu reisen.
Kontext verleiht dem Kaffeeerlebnis eine tiefere Bedeutung – nicht nur durch das Verständnis der technischen Aspekte des Anbaus und der Verarbeitung, sondern auch durch die Realität, eine Kaffeefarm als wirtschaftliches Unternehmen zu betreiben. Die täglichen Entscheidungen der Produzent:innen werden stark von Kultur und Tradition geprägt, aber ebenso von Gesetzgebung, wirtschaftlichen Bedingungen und ihrem Zugang zum Markt beeinflusst. Die beiden Kaffees dieses Monats sind ein Beispiel für die sehr reale Wirkung, die der Spezialitätenkaffeemarkt in den Ursprungsländern hat – und wie er die Kaffeelandschaft weltweit verändert, zum Guten wie zum Schlechten.